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Mon, Feb 09

TEDDY TODAY

Rebellisches Kino aus Asien

Allein aus Asien kommen in diesem Jahr zehn Filme mit TEDDY-relevanten Themen: Hongkong, China, Südkorea, Japan, Pakistan, Indonesien, und Singapur. Grund genug für einen genaueren Blick auf einige dieser Filme im Kontext der jüngeren asiatischen Filmgeschichte und der aktuellen gesellschaftlichen Situation im jeweiligen Land:

In den letzten 10 Jahren hat sich das junge Kino aus Singapur, dem kleinsten Staat Südostasiens, auf dem asiatischen Kontinent einen Namen gemacht. Junge Regisseure haben am Image der Sauberstadt genagt und ihre täglich erlebte Realität in das Stadtparadies einbrechen lassen. Sie hatten die Schnauze voll vom Sauberimage ihres Staates, das selbst mit dem Rohrstock verteidigt wird. (Prügel mit dem Rohrstock wird in Singapur bei Gesetzesverstoß tatsächlich noch praktiziert, wie auch die Todesstrafe.)

Royston Tan's Film 15 (2003) galt in Singapur bspw. als Gefahr für die nationale Sicherheit. Die staatliche Zensur gehört zum Alltag in Singapur, die das Verbot von ausländischen Zeitungen, von privaten Satellitenschüsseln ebenso einschließt, wie die eingeschränkte Internetnutzung und Material, das religiöse Gefühle beleidigen könnte. Sexuelle Praktiken, die von Regierungsseite als "unnatürlich" eingestuft werden (wie etwa Analverkehr oder gleichgeschlechtlicher Sex) sind per Gesetz verboten. Glen Goeis Film Forever Fever (1998) hatte genau diese Ungereimtheiten angeprangert und vielen seiner Generation aus der Seele gesprochen, wie auch Eating Air (1999) von Kelvin Tong und Jasmine Ng. Auf der diesjährigen Berlinale (Panorama) läuft ein kleiner Film im Panoramaprogramm.

"Tanjong Rhu" Filmplakat

Tanjong Rhu ist nur 19 Minuten lang und basiert auf einem Ereignis aus dem Jahr 1993, bei dem 12 schwule Männer wegen öffentlichen Ärgernisses verhaftet wurden, gegen einige von ihnen wurde Anklage erhoben und sie verschwanden für mehrere Monate im Gefängnis. Ihre Namen, ihr Alter und ihr Beruf wurde schließlich zur Abschreckung in den wichtigsten Zeitungen des Landes veröffentlicht.

Der junge Regisseur Junfeng Boo hat seinen Kurzspielfilm für ein ganz bestimmtes Publikum, mit Rücksicht auf eine drohende Zensur geplant: Explizite Sexszenen durfte es nicht geben, es sollte Mandarin gesprochen werden und als Hauptdarsteller wählte er bewusst einen heterosexuellen, bekannten Schauspieler, der dem Klischee eines schwulen Mannes alles andere als entsprach. Nur so könne er es schaffen, dass der Film überhaupt geschaut wird und möglicherweise etwas in den Köpfen der Leute verändern hilft.

Tanjong Rhu Article

Video: Interview Junfeg Boo
Director "Tanhjong Rhu"

Aus Japan kommt der vierstündige Filmmarathon Ai No Mukidashi (Love Exposure), das jüngste Werk des kontroversen japanischen Regisseurs Sion Sono, der seine Karriere als Poet begann und heute zu den wichtigsten Independent-Filmemachern Japans zählt. Sion Sono hat mittlerweile bei über zwanzig Filmen Regie geführt, seine Filme genießen weltweite Anerkennung. Das Vertigo Magazine hat ihm gehuldigt, denn er ist unbeugsam, kreiert beneidenswert genial filmische Welten und verweist auf etwas, das sich das Internationale Forum des Jungen Films zur Aufgabe gemacht: Nicht nur jungen Regisseuren (wie damals Raúl Ruiz, Derek Jarman und Peter Greenaway) eine erste Gelegenheit geben, sich international zu präsentieren, sondern auch ungewöhnlichen Formaten eine Plattform bieten.

Die frühesten japanischen Filme orientierten sich an der Sprache des traditionellen Theaters, erst in den 30er Jahren findet das japanische Kino eine eigene Sprache. In den 50er Jahren folgt schließlich Rashômon von Akira Kurosawa - eine Initialzündung, nicht nur für die jüngere Generation japanischer Filmemacher. Die so genannte japanische Nouvelle Vague (Osamu Takahashi, Ko Nakahira, Yasuzo Maslauka) ebnet den Weg für das unabhängige Kino in Japan. Heute gibt es eine neue Generation japanischer Filmemacher - oftmals sind es Musiker, Novellisten, Werbe- und Pornofilmer - die in ihren Filmen das Porträt einer modernen japanischen Gesellschaft zeichnen, die unter der Reduzierung menschlicher Beziehungen und traditioneller Werte leidet (wie es Nagisa Oshima in 100 Jahre japanisches Kino nachvollzieht). Dazu gehören Regisseure wie Masayuki Suo, Ryu Murakomi und Takeshi Kitano.


Video: Interview
Sono Sion and Sakura Ando
Director and Actor "Ai No Mukidashi"

"The difference between the amateur and the professional [in filmmaking] is like that between love and prostitution… I want to keep both the passion of the amateur and the professionalism of the prostitute in equilibrium in my projects.”

Sion Sono

Sion Sono

Auch Sion Sono kreiert seine ganz eigene kritisierende Welt; versteht wie kein zweiter die Jugend; vereint Traditionelles mit kompromissloser, manchmal an Perfektion grenzender Visualität,; vermischt Poesie mit Comic und herauskommt ein unangepasstes, konsequentes Werk, was sich eigentlich so gut wie nicht an ein Kino verkaufen lässt: 4 Stunden japanischer Film-Rock'n'Roll. Und das ist großartig.

Ai No Mukidashi

 
 

Eike von Stuckenbrok
EIKE LOVES TO ENTERTAIN YOU AT THE

23rd TEDDY AWARD CEREMONY
February 13th 2008, 9 pm.
HAUS DER KULTUREN DER WELT

DON'T MISS IT!!! GET YOUR TICKET NOW!!

Video: Interview Simon Chung and Yeung Sheung Wun
Director and Actor "End of Love"

Die beiden aus Hongkong stammenden Filme End of Love und Wu Sheng Feng Ling (Soundless Wind Chime) konzentrieren sich auf die Liebe zwischen jungen Männern, jeder auf eine ganz besondere Weise. Beide Filmemacher betrachten Wong Kar-Wai's Happy together (1997) nicht nur als wichtigen Film für ihr eigenes Leben, auch für die Filme mit queeren Themen, die in Hongkong entstehen, habe Happy together den Weg geebnet. Als 2003 zwei der größten Filmstars starben, Leslie Cheung und Anita Mui, sprach man bereits vom Untergang der Filmmetropole Hongkong und tatsächlich befand sich die Filmindustrie in Hongkong in einer Krise, von der sie sich nur langsam erholt. Um der Krise in der Filmindustrie zu begegnen, hatte die Regierung den Film Guarantee Fund ins Leben gerufen. Doch junge Filmemacher wie Simon Chung oder Kit Hung profitierten davon nicht: Das Budget für ihre Filme bleibt verschwindend gering und es dauert Jahre, bis sie ihr Skript verwirklichen können. In diesem Jahr werden auf der Berlinale 4 Filme aus Hong Kong gezeigt, davon stehen drei in einem TEDDY-relevanten Kontext.


Poster Soundless Wind Chime

Video: Interview Kit Hung
Director "Wu Sheng Feng Ling"

"Chinese believe when someone passes away, his soul will return home on the 7th day after his death. His soul is offered a soup for erasing memory as a preparation to rebirth. After drinking the soup, all his memories will be wiped off and his soul will reincarnate and start off a new life as a baby. How long does it take for someone to truly recognize and accept the death of his beloved? Soundless Wind Chime is a film about letting go."

Kit Hung

New Wave im Koreanischen Film. Das ist ein Begriff, der nur durch den Wegfall der Zensur in Südkorea möglich wurde. Seit den 1990er Jahren erlebt der koreanische Film einen Aufschwung. So gewann Lee Chang-dongs Film Oasis (2002) den Silbernen Löwen von Venedig, Oldboy von Chan-wook gewann den Großen Preis der Jury in Cannes (2003). 2004 erhielt Kim Ki Duk's Samaria hier auf den Internationalen Filmfestspielen den Goldenen Bären. Hong Sang-soo, Lee Myung-se und Jang Sun-woo - Regisseure des sogenannten koreanischen Autorenfilms geniessen internationale Anerkennung. Doch was macht der junge koreanische Independend-Film? Heosuabideuleui Ddang (Land of Scarecrows) und Jangryesigeui Member (Members of the Funeral) sind ein Beispiel für junges koreanisches Kino.


Video: Interview Baek Seung Bin
Director "Jangryesigeui Memberl"

Video: Interview ROH GYEONG TEA
Director "Heosuabideuleui Ddang"

Im heutigen Pakistan ist das Kino eines der wichtigsten Medien. Untrennbarer Bestandteil pakistanischer Filme sind mitreißende Musik- und Tanzszenen. Der Mittelpunkt der pakistanischen Filmindustrie ist Lahore, das so genannte „Lollywood“. Hier wuchs auch Khalid Gill auf, Regisseur des Dokumentarfilms Chan di Chummi (Kiss the moon). Oft hat er in der Stadt seiner Kindheit den so genannten Khusras beim Tanzen zugesehen, den Transsexuellen Pakistans, die in einer festen Gemeinschaft leben und laut klatschend auf Hochzeiten und zur Geburt eines männlichen Kindes tanzen und betteln, um überleben zu können.

Video: Interview Khalid Gill
Director "Chan di Chummi"

Khalid Gill, der seit einigen Jahren in Deutschland lebt, ist zurückgekehrt an den Ort seiner Kindheit, um auf eine sehr poetische, nahezu kindlich neugierige Weise den Zuschauer auf eine Reise mitzunehmen, die nicht ein einziges Mal in den Voyeurismus abrutschen wird.

"Mein Film ist ein leidenschaftlicher Versuch, einen intimen Kontakt mit der Khusra-Gemeinschaft herzustellen und zu verstehen, wie es sich anfühlt, in einer Welt zu leben, in der es immer nur männlich oder weiblich zu geben scheint. Schließlich ist das Ziel des Films, diese Grenzen zu überschreiten und sich gemeinsam dem Wesentlichen des Lebens zu nähern, dem nie endenden Wunsch danach, zu lieben und geliebt zu werden."

Khalid Gill

WEITERE FILME AUS ASIEN MIT
TEDDY- RELEVANZ:

Hongkong/Taiwan: "Miao Miao"
(Regie: Cheng Hsiao-Tse / Generation)

China: "Forever Enthralled" (Regie: Chen Kaige / Wettbewerb)

Indonesien: "At Stake" (Regie: Iwan Setiawan, Muhammad Ichsan, Lucky Kuswandi, Ucu Agustin, Ani Ema Susanti / Panorama Dokumente)