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Tue, Feb 10TEDDY TODAYCinema ParadisoCinema Paradiso. Zwei Worte, die Augen zum Leuchten bringen. Ein Film. Großes Kino, das die Kunst der Emotionen beherrscht. 1989 gewann Giuseppe Tornatore mit diesem Film in Cannes den großen Preis der Jury und den Europäischen Filmpreis, ein Jahr später wurde Cinema Paradiso mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film geehrt. Cinema Paradiso, untermalt mit der Musik Ennio Morricones, ist zum Sterben schön. Der Film ist zwanzig Jahre alt und hat bis heute nichts von seinem Zauber verloren. Kino, der Traumstaat zwischen Realität und Fiktion, ist das Sammelbecken einer großen Sehnsucht, einer großen Ohnmacht, vieler Biografien, Verzweiflung, Hoffnung und Verrat. Wir leben in einer Zeit, in der sich die Bedeutung des Begriffes Heimat, Familie, Zuhause verändert hat, an keinen speziellen Ort mehr gebunden ist, wir leben in einem Patchworkzeitalter auf allen Ebenen unseres Lebens. Das Kino verbindet das, holt viele einsame Seelen, Liebespaare, Dich und mich an einen Ort, der für die Dauer eines Filmes Zuhause wird, ein Ort, dem wir uns, unsere Verletzung, Emotionen und unser Versagen anvertrauen.
Der österreichische Regisseur Wolfgang Murnberger, dessen neuer Film Der Knochenmann auf den 59. Internationalen Filmfestspielen in Berlin seine Weltpremiere hatte, ist so ein Kinokind, er beherrscht den Genremix wie kein zweiter. Seine Filme sind eine perfekte Mischung aus Komödie, Thriller und intelligentem Autorenfilm, gut gewürzt mit einer ordentlichen Brise schwarzem Humor. Aufgewachsen ist Murnberger in der österreichischen Provinz, wo seine Eltern ein Kino besassen, einen richtigen kleinen Familienbetrieb. Der Vater führte die Filme vor, die Mutter und die Großmutter verkauften die Kinokarten und Getränke. Anfangs verbrachte der kleine Wolfgang seine Kindheit in der Vorführkabine. das Kino bestand für ihn aus Filmrollen, dem lauten Vorführapparat und dem Ton. Er hörte die Filme nur. Zu jener Zeit liefen die Italowestern im Murnberger Landkino, unvergesslich die Musik Ennio Morricones. Wolfgang entwickelte ein ganz eigenes Kino im Kopf, geboren aus den Emotionen, die eine Tonspur und das Rattern des Vorführapparates ausgelöst hatten. Am Nachmittag spielte er mit seinen Freunden im Kinosaal und jagte den Hund durch die leeren Reihen. Er nahm Besitz vom Kino, auf seine ganz eigene kindliche Art, gestaltete es um, raubte ihm sein allabendliches Geheimnis, dass ihm die Tonspur immer wieder aufs neue verleihen würde.
Als Wolfgang älter wurde, durfte er die Filme sehen und begann zu helfen, den kleinen Familienbetrieb aufrecht zu erhalten: Mit zehn Jahren avancierte er zum Karten-Abreisser. Wolfgang Murnberger ist im Kino aufgewachsen, nicht nur als Zuschauer, er kennt die Sorgen eines Kinobetriebes, er kennt die Emotionen seiner Gäste, ihre Wut, wenn ihnen ein Film nicht gefallen hat oder wenn er kein richtiges Ende hatte, ihre Sorgen, ihre Tränen. All das hat den Regisseur Murnberger geprägt. Als er schliesslich 25 Jahre alt wurde, er studierte bereits auf der Filmschule, kam der Tag, an dem das Kino schliessen musste, kein einziger Zuschauer war gekommen, Vater und Mutter blieben an jenem Abend auf den Scherben ihres Lebens sitzen, das sie einem Ort gewidmet hatten, der über die Jahre so viele Menschen zusammengeführt und auf eine kollektive Reise mitgenommen hatte. Der Traumstaat, der Ort seiner Kindheit war an diesem Abend gestorben. Dieses Erlebnis begründete Murnbergers Karriere. Zur gleichen Zeit als Giuseppe Tornatore an seinem Film Cinema Paradiso arbeitete, schrieb Murnberger eine Liebeserklärung an diesen Ort seiner Kindheit, ein Filmskript, dessen Umsetzung später seine Karriere als Regisseur begründen sollte.
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Wie geht man heute in dieser abgestumpften Welt mit dem HIV/AIDS Thema filmisch um? Wie sensibilisiert man die neue junge Genration, wie aktiviert man das Gedächtnis der älteren, das einer kulturellen Amnesie anheim gefallen zu sein scheint?
Greyson, der 1989 zu einem der ersten TEDDY-Preisträger gehörte (als der TEDDY noch nicht vergoldet auf einem Berliner Pflasterstein drohnte, sondern noch ein kuschliges Plüschtier war), hat diese Mischform gewählt, ganz so als wolle er alte Muster sprengen, die Leute filmisch anschreien und mit der Oper - einst gegründet von Dichtern, Musikern und Philosophen - wieder versöhnen, die neben dem Theater, noch vor der Erfindung des laufenden Bildes, das Kino für die Menschen war.
Lange gab es diese intensive filmische Auseinandersetzung mit HIV/AIDS nicht mehr. In diesem Jahr hat das Panorama dazu gleich zwei Filme im Programm. Auch der junge US-amerikanische Regisseur Nick Ocean setzt sich mit dem Thema auseinander, allerdings auf eine ganz andere, klassisch filmische Erzählweise: Sein Spielfilmdebüt "Pedro" basiert auf der Lebensgeschichte eines jungen Mannes, der in Kuba geboren wird und mit seiner Familie in die USA emigriert. Als Pedro mit 17 Jahren HIV-positiv getestet wird, widmet er den Rest seines Lebens dem Kampf gegen AIDS. Er spricht öffentlich über seine Lebenssituation, trägt dazu bei, ein Bewusstsein für HIV/AIDS in der Community zu schaffen und fordert den US-amerikanischen Kongress auf, mehr HIV-Präventionsprogramme
Doch die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit erhält er erst im Jahr 1994, durch seine Teilnahme an der MTV-Reality-Show THE REAL WORLD. Auch der Regisseur des Films, der selbst einen lateinamerikanischen Background hat, begegnete Pedro so zum ersten Mal: „Und wie das ganze Land war auch ich wie hypnotisiert von seiner Lebensgeschichte. Ich wollte diese Geschichte mit derselben Leidenschaft und Ehrlichkeit erzählen, mit der er sein Leben gelebt hat. Und seine Botschaft von HIV-Prävention und Toleranz in die neuen Generationen tragen.“ Zamoras Zeit im REAL WORLD-Haus gab der AIDS-Krise plötzlich ein Gesicht. Als sich Pedro Zamoras gesundheitlicher Zustand Ende 1994 verschlechtert, wird das in den gesamten USA zur Titelgeschichte. Und als er mit 22 stirbt, trauert man weltweit. Diese Geschichte, die verschiedene Realitätsebenen miteinander verknüpft, hat Nick Ocean mit seinen ganz persönlichen Erfahrungen versetzt und für das Kino erstmals mit viel Herz und Emotionen für ein breites Publikum auf filmisch klassische Art und Weise wiederentdeckt. Denn wir sind eigentlich keine Kinogeneration mehr, wir sind die Generation des Fernsehens, der Reality-Shows, des Internets, wir sind mehr Patchwork als die Generationen davor, wir sind es aber auch, die sich genau diese Eigenschaft zu nutze machen können, um uns in das Kino zu integrieren. Es gilt diese Art des Träumens zu erhalten. Das Kino wächst mit uns und wir wachsen mit ihm, manchmal müssen wir es auch verraten, um das Ausmaß der Bedeutung dieses einzigartigen Traumstaates zu begreifen, den ein einzelner weder besetzen, diktieren, zerstören oder gar ein Leid zufügen kann.
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