Sun, Feb 11
A WALK INTO THE SEA (Page 2)
english>> Ausgeklammert aus der Geschichte 1965 war für Danny Williams ein Jahr voller Dynamik und Intensität: Er gab sein Studium an der Harvard Universität gegen den Willen seiner Familie auf und begann eine Karriere als Filmemacher in Manhattan. Zunächst übernahm er den Schnitt von zwei Filmen der Brüder Albert und David Maysles. Wenig später war er fester Bestandteil der ’Warhol Factory’, verliebte sich in Andy und lebte bald darauf in einer Wohnung, die dieser mit seiner Mutter teilte. Danny Williams drehte in diesem Jahr mehr als zwanzig Filme und entwarf die bahnbrechende Lightshow für Velvet Underground/Exploding Plastic Inevitable (EPI). Das Jahr 1966 war weitaus schwieriger für Danny. Kurz vor Beginn der EPI-Tour durch die USA trennte Andy sich von ihm. In den drei Monaten, die Danny auf Tour verbrachte, steigerte seine Abhängigkeit von Amphetaminen noch die düstere Verfassung, in der er sich ohnehin befand. Nachdem ein Kritiker in Variety ihn als den „führenden Kopf“ der EPI-Show bezeichnet hatte, beschuldigten mehrere Mitarbeiter der ’Warhol Factory’ Danny, sich auf Kosten Warhols zu profilieren, undbegannen ihn immer stärker aus der ’Factory’ auszuschließen. Nach Ende der EPI-Tour im Juli 1966 kehrte Danny zu seiner Familie nach Massachusetts zurück. Er brachte einen Karton mit zahlreichen Tagebüchern, die er unter dem Einfluss von Amphetaminen geschrieben hatte, mit Diagrammentwürfen für Lightshows und mit persönlichen Gegenständen sowie Briefen mit nach Hause. Außerdem ein Rasieretui voller Drogen. Nach einem Essen mit der Familie verließ er das Haus und fuhr im Wagen seiner Mutter davon. Er wurde nie wieder gesehen. Vierunddreißig Jahre später, kurz nach Beginn des neuen Jahrtausends, wurde Dannys Nichte, die Filmemacherin Esther B. Robinson, zur Programmchefin einer Stiftung ernannt, die finanziell von der ’Andy Warhol Foundation for the Arts’ getragen wurde. An einem Sommertag des Jahres 2000 besuchte Esthers Großmutter Nadia ihre Enkelin an ihrem neuen Arbeitsplatz. Beiläufig erwähnte Nadia, dass ihr Sohn, Danny Williams, einmal zusammen mit Warhol und dessen Mutter in einer Wohnung gelebt hatte, bevor er unter mysteriösen Umständen verschwunden war. Verblüfftes Schweigen im ganzen Raum. Dann schlug man Esther vor, sich sofort mit Callie Angell in Verbindung zu setzen. Diese war im Rahmen der Archivierung des Warhol-Nachlasses im New Yorker Museum of Modern Art auf zwanzig stumme Experimentalfilme gestoßen. In diesen 16mm-Schwarzweißfilmen sah man Andy Warhol, Edie Sedgwick, Mitglieder von The Velvet Underground und andere bekannte Mitarbeiter Warhols. Von dessen eigenen Filmen unterschieden sich diese wiederentdeckten Filme eklatant: Sie folgten einer stilisierten Ästhetik und trugen eine sehr persönliche Handschrift – ganz offensichtlich stammten sie nicht von Warhol. Die Rollen, die den Schriftzug „Danny Williams“ trugen, waren, so Callie Angell, „absolut außergewöhnlich“. Esther hielt es für möglich, dass diese Filme der Schlüssel zum allzu kurzen Leben ihres Onkels waren, und bat das Museum of Modern Art, ihrer Familie die Filme zurückzugeben. Gleichzeitig begann sie, Recherchen über das Leben ihres Onkels in New York anzustellen. In den Büchern über die ’Warhol Factory’ der sechziger Jahre stieß sie nur selten auf den Namen ihres Onkels; umso ergiebiger war der Karton mit Dannys Entwürfen und Tagebüchern, den die Großmutter ihr übergab. Esther fand viel Material für kreative Entwürfe und über Machtkämpfe innerhalb der ’Warhol Factory’, und begann mit der Arbeit an einem Film über das letzte Jahr im Leben ihres Onkels.
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| A Walk Into The Sea | In Interviews mit Familienmitgliedern gelang es ihr, Details seines Verschwindens, seine komplexe Beziehung zu seiner Familie sowie deren unausgesprochene Ängste ans Licht zu bringen. Als das Museum of Modern Art Dannys Filme schließlich an die Familie zurückgab, übertrafen diese alle Erwartungen: Sie strahlten förmlich und waren ebenso persönlich wie aufschlussreich. Eine neue Frage stellte sich plötzlich: Warum hatte man dieses junge Talent aus der Geschichte der ’Warhol Factory’ ausgeklammert? Esther begann, nach den noch lebenden Mitarbeitern der ’Factory’ zu suchen und sie zu interviewen. Diese sehr persönlichen Gespräche gaben Aufschluss über die Mythen, die sich im Zusammenhang mit der legendären Gruppierung gebildet hatten, und zeigten die menschliche Fragilität, auf die das Imperium Andy Warhols gebaut war. A WALK INTO THE SEA: DANNY WILLIAMS AND THE WARHOL FACTORY ist Esther B. Robinsons Versuch, die Hintergründe für das Verschwinden ihres Onkels und das Rätsel seines so tragisch kurzen Lebens zu erhellen. Der Film erzählt die Geschichte dieses außergewöhnlich talentierten jungen Mannes, der von zwei labilen Familien im Stich gelassen wurde: von seiner eigenen, die vor allem von Hierarchie und Tradition geprägt war, und von einer legendären Künstlerfamilie. Mit dieser filmischen Reise in die Tiefen familiärer Verstrickungen und verdrängter Erinnerungen erhalten wir Einblick in das Leben eines Mannes, der nicht zuletzt auch von der Geschichte vergessen war. Related Links |
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Screenings at the festival So, Feb 11, 20:15 CineStar 8 (D) Mo, Feb 12, 13:30 Cubix 7 (D) Di, Feb 13, 14:45 Arsenal 1 (D)
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