Sun, Feb 18
TEDDY TODAY (Page 2)
MEIN ERSTER TEDDY Guest Column by Jens KohlmeierFreitag, 16. Februar 2007 - TEDDY Awards. Jetzt ist es 05:34 Uhr und ich bin wieder daheim. Musik an, vor den Computer und schreiben, weil morgen könnten sich die Erlebnisse des Abends vielleicht nur noch wie ein Traum anfühlen. Mein erster TEDDY – da fällt mir der alte Witz ein: Welcher Bär springt am weitesten? Kalauer... denn dieser Bär hier kann alles besser. Er hat die besseren Filme, die coolere Party, die abgefahrenere Location, das facettenreichere Publikum, die bessere Musik und vor allem hat er was im Kopf und ein Ziel das ihm am Herzen liegt. Doch eins nach dem anderen. Im Oktober 2006 habe ich mich also auf eine Anzeige hin beim TEDDY für ein Praktikum in der Presseabteilung beworben – Generation Praktikum sozusagen. Schon während des ersten Treffens mit Andrea Winter, der TEDDY-Pressechefin, und Holger Wetzel von der Stilblüte Kommunkation, wo der TEDDY sein Pressebüro hatte, war mir klar: „ditt will ick machen!“ Noch lag die große Nacht ja in weiter ferne und der erste Monat bestand vor allem darin eine Basis für unsere Pressearbeit zu schaffen; Bürokram könnte man auch sagen, aber das klingt ja so despektierlich. Im Dezember dann wurde es alles schon ein bisschen handfester, als es darum ging die erste Pressemitteilung zu schreiben und in die Welt zu schicken. Und mit jeder Woche die verging und der Grund unserer Arbeit näher rückte, wuchs die Vorfreude parallel mit dem Arbeitspensum. Januar 2007 ging’s dann schon in die heiße Phase, die nächste Presseinfo ging raus und nahezu jeden Tag trudelten Neuigkeiten ein: die Zusammenarbeit mit Amnesty International, der TEDDY Ballot Volkswagen Zuschauerpreis, der TEDDY on Tour, die Jury-Mitglieder, die Show Acts, die ARTE-Übertragung. Zur gleichen Zeit begannen auch die Pressevorführungen des Panorama – ohne Witz die Kirsche obendrauf, die Filme schon Wochen vor der Veröffentlichung sehen zu können und das waren so Perlen wie „Interview“, „This Filthy World“, „Lagerfeld Confindential“, „Two Days In Paris“ „Surveillance“ und „The Bubble“. Dieser erste Geschmack davon was mich in den Wochen der Berlinale erwarten sollte, wurde Ende des Monats noch cremiger als die große Berlinale-Pressekonferenz vor der Tür stand. Nach einem 14-Stunden-Tag und viel zu wenig Schlaf ging’s dann am nächsten Morgen viel zu früh mit einer Kiste Pressemappen unterm Arm zur Friedrichstraße – und alle Müdigkeit war plötzlich wie weggewischt als wir inmitten hunderter Journalisten unseren hinter unserem TEDDY-Tisch standen. Der Rest ging irgendwie Schlag auf Schlag, die Zeit verging mit viel Arbeit wie im Flug und dann war es soweit, die Berlinale war da und mit ihr die ersten Partys. Am Freitag letzter Woche der Empfang der internationalen TEDDY-Jury 2007 und es war ein tolles Gefühl, das etwas von déja vu hatte, endlich die Menschen zu treffen über die ich schon so viel wusste, weil ich die Kurzbiographien geschrieben habe: Fanney Tsimong aus Südafrika, Ailton Franco Jr. und natürlich die Präsidentin der diesjährigen Jury Charlie Boudreau aus Kanada, die mir schon damals den Ratschlag gab: „Enjoy every single minute of those Festivals even when it gets busy, because once it’s over you’re gonna feel a black hole, like something’s missing in your life.“ Wie recht sie hat, erlebe ich jetzt, doch noch vor einer Woche schien dieses Gefühl unendlich fern; ich genoss jenen ersten TEDDY-event, lernte großartige Menschen wie Kimberly Yutani und Wieland Speck kennen und traf „alte Bekannte“ wie Claudia Rische, Michael und Jonas vom Panorama. Nach diesem ersten TEDDY/Berlinale-Erlebnis war ich Feuer und Flamme mich Hals über Kopf in das anstehende Berlinale-Getümmel zu stürzen, doch es sollte mir nicht vergönnt sein, da meine Akkreditierung nicht durchkam. Auch gut, konnte ich also meinem „zweiten“ Leben – der Uni – mal wieder einen Besuch abstatten, wo zwei Klausuren und ein letztes Referat auf mich warteten. Hat sich gelohnt; ich sag nur eins Komma sieben in „Advanced Translation“... doch zurück zum TEDDY und d e r Nacht auf die wir alle hingearbeitet haben. Der Abend begann für uns wichtige Pressemenschen um 18 Uhr mit einem Treffen aller Pressemitarbeiter und Baby-TEDDYS die uns zur Seite standen. Kurze Begehung der Halle, wo kommen die Kamerateams hin, wohin die Fotografen und dann erstmal schnell was essen. Backstage Catering und am Nebentisch sitzen die O-Ton-Piraten in Kostüm und löffeln Reis mit Gemüse – schönes Bild, genau so habe ich mir das vorgestellt!
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Um 20 Uhr beginnt dann der Einlass für die Presse; alles läuft glatt, kein Getümmel, kein Gezeter, alles wohlgeordnet und überschaubar – herrlich! Und im Hintergrund Flutlichter und roter Teppich und große Namen – ach nee, dann schon lieber hier, hat ja fast was kuscheliges Familiäres hier an unserem Pressestand. Um kurz nach zehn wird dicht gemacht, Türen zu und aus die Maus aber das fällt keinem weiter auf weil unter den Scheinwerfern schweben immer noch die Schönen und alles Andere über den roten Teppich in Richtung des mordsverdammtriesengroßen Hauptsaals in dem in wenigen Minuten der TEDDY abhebt. Ich und mein „plus eins“ sitzen Block B links Reihe vierzehn Platz elf und zwölf und da liegt auch schon das Abendprogrammheft und ich möchte durch die Reihen gehen und jedem einzeln sagen „das auf Seite sowieso ist von mir und das auf den Seiten hier, das, dort, jenes, da und dies auch“, das mache ich aber nicht, denn schon geht die Musik los und der Bär beginnt zu steppen. Nach der Verleihung als erstes an die Bar; jetzt wo ich nicht mehr im Dienst bin, erstmal schön einen Dosenprosecco in den Kopf gießen und realisieren, dass der Abend irgendwas von letzte Nacht im Ferienlager hat. Aber noch ist er ja lange nicht vorbei und da steht auch schon der Regierende Bürgermeister neben mir an der Bar. Ich habe mir ja fest vorgenommen es nicht zu machen, aber an dieser Stelle komme ich am namedropping nicht vorbei, denn das Highlight für mich war es ganz ohne Zweifel, die wundervolle Natalie Portman zu treffen, die da so mir nix - dir nix im Getümmel stand. Zugegeben, das Gespräch war eher kurz aber ist es nicht immer die Bewertung die das Glück kaputt macht? Was ’ne Preisverleihung, was ein Abend, was ’ne Party, aber das stand ja schon alles schon in der gestrigen Kolumne. Gegen vier Uhr dreißig begannen meinem „plus eins“ die Caipirinhas im Kopf und die 10 Zentimeter Absätze an den Füßen zuzusetzen und nach einer letzten Runde durchs Getümmel haben wir uns auf dem Heimweg gemacht – also jeder schön zu sich nach Hause, ist ja wohl klar. Schon in der Bahn habe ich versucht die Erlebnisse des Abends und die ganze TEDDY-Erfahrung irgendwie zu sortieren, aber schon in der Ringbahn Richtung Ostkreuz, als ich über das Rollfeld vom Flughafen hinweg die Lichter im Hangar2 tanzen sah, machte sich Wehmut breit und ließ keinen anderen Gedanken mehr zu. Jetzt sitze ich hier, inzwischen wird es hell draußen und ich versuche die richtigen Worte zu finden, die letzten fünf Monate zusammenzufassen. Ich habe mich nie groß für die queere Emanzipationsbewegung interessiert, warum auch, nur weil ich so bin wie ich bin? Dann müsste ja jeder über 50 Mitglied bei den grauen Panthern sein oder noch besser, da wir ja alle Menschen sind, einander verstehen. Das dem gerade wenn es um queere L(i)ebensweisen geht nicht so ist, wusste ich. Was ich aber aus mangelndem Interesse nicht gesehen habe, ist die Dimension. Die weltweite, das Schicksal Millionen von Menschen zum Beispiel in China, Russland oder Afrika auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Dimension die ich dadurch persönlich betroffen bin. Noch vor einem Jahr waren das alles Schicksale die mit mir nichts zu tun hatten, weil naja, halt weg und was man da nicht noch so für fadenscheinige Argumente hat. Mittlerweile habe ich verstanden, dass wenn ich nicht das Glück gehabt hätte zu dieser Zeit in diesem Land geboren zu sein, ich allein wegen etwas das ich mir nie ausgesucht habe diskriminiert, bestraft oder gar getötet werden könnte. Und Millionen Menschen weltweit hatten und haben nicht so viel Glück, und müssen Tag für Tag aufs Neue um ihre Rechte kämpfen, wegen etwas für das sie sich nie bewusst entschieden haben - und damit bin ich persönlich betroffen! Und beim TEDDY habe ich tolle Menschen getroffen, die das schon vor langer Zeit gesehen und verstanden haben, und sich vorgenommen haben etwas zu verändern – ihr Herzblut und Engagement, ihr Geld oder ihre Zeit investieren – teilweise schon seit dem ersten TEDDY 1987 – weil es ihnen darum geht etwas zu bewegen. Und wenn das bei mir geklappt hat, dann funktioniert das auch bei anderen. Deswegen werde ich jetzt nicht zum Aktivisten oder zum Bekehrer, aber ich verstehe mich selbst viel mehr als Teil einer Gruppe von Menschen, denen es an vielen Orten auf dieser Welt schlecht geht, weil sie blaue Augen haben… nein, schwarze Haare, ach doch nicht… naja, es war irgendwas komplett Unwichtiges und Normales.
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