Sun, Feb 13
TEDDY TODAY (Page 2)
Column by Andrea Winterenglish Das 20. Panorama wird vermutlich auch die Medizin revolutionieren, denn im normalen Leben reagieren Säugetiere negativ auf Stress. Nicht so während der Berlinale. Im Laboratorium Panorama begegnet man ausschließlich glücklichen Menschen, und das, obwohl die meisten mehr als 14 Stunden täglich ackern. After Midnight müssen die Tough Film Guys außerdem noch Premierenfilme anmoderieren oder diese und jene Party eröffnen. Stress macht sexy, Stress macht schön – zu dieser Erkenntnis muss man unweigerlich kommen, wenn man die verschiedenen Panorama-Büros inspiziert. Von Natural Born Beauty Wieland Speck wollen wir erst gar nicht mehr sprechen. Was ist mit Margaret von Schiller passiert? Wie frisch verliebt schwebt sie seit Tagen lächelnd um oder über den Potsdamer Platz. Manuela Kay berichtet von ersten Pannen und strahlt über alle Maßen. Und Claudia Rische von der Presseabteilung hat die Hand von Valeria Bruni-Tedeschi geschüttelt und träumt nur noch von Meerestieren. Welche kollektive Droge nehmen diese Menschen ein? Es ist Zelluloid, der Stoff, aus dem die Filme sind. Kostet nicht viel und macht auf eher ungefährliche Weise süchtig, weshalb ich mich frage, warum Pazifisten die Lebenseinstellung „Make (good) films, not war“ bislang nicht aufgegriffen haben, um die Welt zu beglücken. Glücklich ist auch Tanja Horstmann vom Forum und kann es gar nicht fassen, dass die Filme ihrer Sektion dieses Jahr so gut besucht sind. Sie bedauert, dass das Forum nicht mehr Beiträge für den Teddy beisteuern kann, wobei ein exzellentes Sozialdrama schlichtweg übersehen wurde. „On the Outs“ von Lori Silverbush spielt in der NoGo-Area von New Jersey City; im Mittelpunkt stehen drei weibliche Teenager. Oz, eine von ihnen, dealt, sie kommt mehrmals in den Knast, sie sieht Mädchen auf den Arsch, sie sagt den Jungs, wo’s lang geht und haut am Ende einem Kerl eins in die Fresse, weil er sie als „fucking dyke“ bezeichnet. Dazu der coole Sound der Ghettomusik: absolut sehenswert! Doch der Samstag war der Tag der schönen Französinnen: Alle sexuellen Freiheiten, die sich Valeria Bruni-Tedeschi in "CRUSTACES ET COQUILLAGES", herausnehmen kann, bleiben Catherine Deneuve im Wettbewerbsbeitrag "LES TEMPS QUI CHANGENT" (von André Téchiné) versagt. Die rasante schwule Komödie der Teddy-Gewinner Olivier Ducastel und Jacques Martineau ist wohl DER Sexfilm der diesjährigen Berlinale. Am Anfang werden Austern geschlürft, so schlüpfrig geht es weiter, fast jede zweite Dialogzeile ist sexuell aufgeladen. Unter laufender Dusche masturbieren Männer im Akkord, wenn sie nicht im Dunkeln durch die Cruising Area tappsen. Vor allem Valeria singt und spielt einfach hinreißend. Das völlig begeisterte Premierenpublikum spendete mehrmals Szenenapplaus. "FUCKING DIFFERENT!": bei diesem Titel muss man sich nicht wundern, dass die Premierenkarten vier Tage im Voraus vergriffen waren. Die Teams der 18 Berliner Filmschaffenden passten mal gerade so auf die Bühne. Viel Beifall für Heidi Kull und den Kurzfilm von Markus Ludwig und Peter Oehl, die geschlechterübergreifende Imaginationen besitzen. Allerdings gab es schwule Stimmen im Publikum, die einen größeren Realitätsbezug zum lesbischen Sex hatten als mancher Protagonist im Film.
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Der Australier Craig Boreham (“TRANSIENT” und der New Yorker Jay Duplass (“THE INTERVENTION”) sind zum ersten Mal in Berlin und noch etwas jetlagged, aber überglücklich. Die jüdische New Yorkerin Cynthia Madansky zeigt „Still Lives“, ihren politischen Beitrag über Palästinenser, muss aber am Montag zurück nach Big Apple, weil wieder einmal einer ihrer Filme Premiere hat im MoMA. Der Dokumentarfilm ihrer Lebensgefährtin Elle Flanders ("Zero Degrees of Separation" läuft übrigens noch im Forum. Die junge israelische Film-Absolventin Adi Halfin debüttiert mit „Be’einaim Atsumot“, dem Ende einer lesbischen Beziehung. Sie hat ein schlechtes Gewissen, weil sie keinen politischeren Beitrag aus Israel liefert, dabei war sie in Cannes mit einem solchen vertreten. Wieland Speck tröstet sie: „Wir leben noch in einer Zeit, in der jeder lesbische Film ein politischer Beitrag ist“. Fast hätte ich es vergessen: Auf der Toilette im CineStar traf ich die argentinische Regisseurin von ("UN ANO SIN AMOR") Anahi Berneri. Trotz Schwangerschaft im achten Monat gelang sie mühelos auf die Bühne zu ihren völlig überfüllten ersten Vorführungen. Zwar ist das Panorama-Team mit einigen Medizinern im Team bestens gerüstet für die erste eventuelle Kino-Live-Geburt in seiner Geschichte, aber Senora Berneri hat noch mehrere Wochen Zeit. Ihre Fruchtblase wird nicht im Kino platzen, sagt sie - und fliegt deshalb am Montag zurück nach Buenos Aires. Übrigens soll ihr zweiter Sohn Leon heißen. Wir drücken die Daumen. Today's Screenings
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