Sat, Feb 19
TEDDY TODAY (Page 2)
Kolumne von Andrea Winterenglish „Ooch, her nipples. They took my breath away. They are so wonderful, you want to take them in your mouth and keep them there for a whole week!” Ich weiß nicht, wessen Brustwarzen gemeint waren, aber die beiden amerikanischen Journalisten hinter mir – ein Mann und eine Frau – schwärmten ohne Ende. Was aber nichts daran ändert, dass die Berlinale nun langsam zu Ende geht. Aus zwei Gründen ist das auch gut so. Karin schrieb an dieser Stelle ja bereits über die eigenartigen Einlasskontrollen, die man täglich bei den Pressevorführungen im Berlinale Palast über sich ergehen lassen muss. Das Personal am Kinoeingang kann einem leid tun angesichts solcher Dienstanweisungen. Gestern wurden die Taschen nach Kameras durchsucht, heute war man auf der Suche nach Aufnahmegeräten - als gäbe es irgendeinen Journalisten, der heimlich Fotos oder Tonmittschnitte im Kino macht. Kinder, das Pressematerial liegt doch seit Wochen in den Redaktionen! Hier sind Profis aus aller Welt am Werk, nicht die Mitarbeiter einer Schülerzeitung aus Kleinkleckersdorf. Übermorgen wird man vermutlich checken, ob wir alle saubere Unterhosen tragen oder Spürhunde für die Suche nach gebrauchten Kondomen einsetzen. Zweiter Grund, warum die Berlinale zu Ende gehen darf: ständig sackt im Kinosessel neben mir röchelnd ein erschöpfter Kollege in sich zusammen und schnarcht bis zum Abspann – bin ich froh, dass es Untertitel gibt! Außerdem wird immer häufiger gehustet, geniest, geschnieft und geschneuzt. Die Grippewelle hat Berlin erreicht, deshalb muss man beim Oralverkehr jetzt sehr, sehr vorsichtig sein. Neulich hat mir Marie Vermeeren, die Programm-Chefin von „Pink Screen“ in Brüssel, Küsse für Manuela Kay ins Panorama mitgegeben. Ich habe Manuela aber nicht abgebusselt. Die böse Influenza wird nämlich via Tröpfchenübertragung weitergegeben, außerdem lautet eine unserer obersten Devisen: Don’t kiss or fuck the company. Wusstet ihr eigentlich, dass Manuela und ich überhaupt nicht lesbisch sind? Lesben sind nämlich hässliche Männerhasserinnen und tragen schlabberige lila Latzhosen. Das behauptete jedenfalls ein Möchtegern-Komiker in der Morgenshow von Radio Eins. In seiner zweifelhaften Satire lag der arme Mann mit Freundin im Bett und kriegte keinen hoch. Klar, dass mann solche Potenzprobleme irgendwie kompensieren muss und sich deshalb abfällig äußert über die Schwiegermutter, eine gemeine Lesbe in Öko-Klamotten. Jetzt ärgere ich mich jedes Mal, wenn ich den Übertragungswagen von Radio Eins vor dem CinemaxX sehe. Als einfühlsamer Mensch kann ich gut nachempfinden, dass heterosexuelle Männer ein kollektives Trauma haben, weil die schöne Jodie Foster anonymes Sperma bevorzugte, um nun mit ihrer Freundin zwei Kinder großzuziehen. Aber hey, dafür haben wir Therapeuten. Die männerhassende Lesbe, die keinen mehr abbekommen hat, ist ein Märchen, das von Heteros in die Welt gesetzt wird, weil sie davon ablenken wollen, dass es Frauen gibt, die ihren Schwanz nicht lutschen wollen. Ende der Durchsage. Der Countdown für den Teddy Award läuft, und Ingo Taubhorn, Berlinale-Betreuer im Kino International, war ganz gespannt darauf, wie seinem Team heute nacht deren „Mission Impossible“ gelingen wird. Ich schätze, es ist spaßig, ihnen dabei zuzuschauen, wie sie innerhalb von nur zehn Minuten den Saal zu räumen und partyfähig umzubauen haben. The Last Picture Show endet nämlich erst um 0 Uhr 20, die Preisverleihung beginnt aber bereits um 0 Uhr 30. Na dann viel Glück! Stunden später. Sie haben es geschafft: mit 30 Minuten Verspätung begann der abgespeckte Teddy Award, spielerisch und professionell moderiert von Wieland Speck und Margaret von Schiller. Die beiden sollten das jedes Jahr machen.
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Klaus Wowereit lobte wieder einmal die Offenheit der Berliner und ihrer Stadt in Bezug auf alternative Lebensweisen. Ausdrücklich begrüßte er auch die anwesenden Heten – und einer war sogar mutig genug, sich zu outen. Wowi verließ die Bühne aber erst, nachdem er den Veranstaltern und der Berlinale inklusive Dieter Kosslick ans Herz legte, die glamouröse Teddy-Gala – ein Aushängeschild der Stadt und der Berlinale - in Zukunft nicht noch einmal aus rein finanziellen Gründen scheitern zu lassen. And the winner is .....: Der Preis der Siegessäulen-LeserInnen-Jury ging an “TRANSAMERICA”: ein ausgesprochen gutes Road Movie“, dass das Thema Transsexualität in einfühlsamer Weise behandelt. Veronika Minder bekam mit “KATZENBALL” zu ihrer großen Freude für ihre amüsante Dokumentation lesbischer Geschichte(n) der letzten 100 Jahre zu Recht den Teddy.
Der Kurzfilm-Teddy ging an “THE INTERVENTION”von Jay Duplass, der seinen Erfolg gar nicht fassen konnte und meinte, das Preisgeld in Höhe von 3000 Euro sei die höchste Summe, die er jemals mit Filmemachen verdient habe.
Über den besten Spielfilm diskutierte die Jury offenbar länger. Letztendlich setzte sich zur großen Überraschung der argentinische Beitrag “UN AÑO SIN AMOR” durch, die SM-Abenteuer eines HIV-positiven Schriftstellers. Die hochschwangere Regisseurin Anahi Berneri war bereits abgereist, aber ihr überglücklicher Produzent streichelte seinen Teddy für den Rest des Abends und meinte, er werde vielleicht sogar Sex mit ihm haben. Und die Party? Ausgelassene Stimmung auf fünf Dancefloors, überfüllte VIP-Lounge, abenteuerliche Perücken, gigantische High Heels usw. Und damit endet die Teddy-Kolumne von Karin und mir. Während alle anderen Party machten und relaxten, saßen wir müde am PC und praktizierten schlaftrunken eine Art Creative Writing. Karin, das hast Du gut gemacht!! Zum Teddy im nächsten Jahr kommt ihr alle wieder nach Berlin, ja? Denn der Teddy bekommt langsam ein graues Fell und wird schon 20 Jahre alt. Mir hat es Spaß gemacht, vor, zwischen und nach den Filmen mit ZuschauerInnen, Berlinale-MacherInnen und der Crème de la Crème des Queer Cinema zu sprechen und dabei festzustellen: Das stimmt ja wirklich, we are family! 19th TEDDY Awards 2005– The Winners
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